Romeo und Julia im Stadttheater Bielefeld
Verona, ein Maskenball zur Feier der Verlobung Julias. Romeo Montague sieht die erst dreizehnjährige Julia Capulet (großartig gespielt von Isabell Giebeler), beide verlieben sich auf den ersten Blick und haben ab sofort ein großes Problem: ihre Familien. Diese sind bis aufs Blut verfeindet, doch das Paar ist berauscht von ihrer Liebe zueinander, dass sie dieses Hindernis bewältigen wollen.
So planen die beiden ihre heimliche Hochzeit.
Vorher tötet Julias Cousin Tybalt allerdings Romeos besten Freund Mercutio, woraufhin Romeo im Affekt Tybalt erschießt. Romeo erfährt Gnade, indem er für den Mord nicht hingerichtet wird, sondern lediglich aus der Stadt verbannt wird. Vorher findet allerdings die, nun noch heimlichere, Hochzeit statt (inkl. Hochzeitsnacht).
Als Romeo Verona verlassen muss, will sich Julia vor Verzweiflung das Leben nehmen. Doch es gibt eine bessere Lösung: Sie nimmt einen Schlaftrank, welcher sie nur tot erscheinen lässt. Sie steht dann wieder von den Toten auf und kann so mit Romeo durchbrennen. Aber weil Romeo zwar von Julias Tot erfährt, aber nichts von ihrem Plan, geht dieser gründlich schief.
Denn als Romeo Julia schlafend sieht, denkt er sie wäre wirklich tot, nimmt Gift und stirbt an Julias Totenbett. Als Julia kurze Zeit später erwacht und den verstorbenen Romeo halb auf ihr liegend entdeckt, ersticht sie sich.
Es ist wohl die bekannteste Liebestragödie aller Zeiten.
Die Geschichte wurde unzählige Male verfilmt, es gibt ein sehr berühmtes Ballett von Prokofjew oder auch dass sehr bekannte Musical West Side Story von Leonard Bernstein.
Was also kann das Ensemble des Bielefelder Stadttheaters auf die Bühne bringen, das sich der Theaterbesuch lohnt?
Die Antwort ist vieles, sehr vieles.
Den wer ein altbackenes Stück mit opulenten Kostümen erwartet, wird gründlich eines besseren belehrt.
Dieses Stück ist modern, skurril, kühl und distanziert Es zeigt die oberflächliche Einstellung einer sich selbst überdrüssigen Gesellschaft. Unfertige, knallbunte Kostüme und Perücken, welche an Jahrmarkt-Schausteller erinnern prallen auf Lametta ähnliche Vorhänge und eine dunkle, schon fast schaurige Bühne. Die Welt scheint aus den Fugen geraten zu sein.
Das Menschliche wurde den Darstellern ausgehaucht, man denkt und lebt pragmatisch. Die Mutter siezt die Tochter, die Amme wird zu Julias einziger Bezugsperson und zur Aufrechterhaltung der Menschlichkeit in diesem Stück.
So ist Sex kein Ausdruck von Liebe, sondern ein netter Spaß vertreib, welcher auch gerne ungeniert, in aller Form, in der Öffentlichkeit praktiziert wird. Der Maskenball, welcher schnell zur Orgie eskaliert ist die perfekte Umgebung um die Welt zum schweigen zu bringen. In dem Moment, als Romeo und Julia sich zum ersten Mal begegnen bleibt die Welt für einen Moment stehen und scheint danach die Art und Weise sich zu drehen, geändert zu haben. Es ist die Begegnung der reinen Unschuld, der wahren, großen Liebe in einer kalten, berechnenden Welt ohne Gefühl.
Auf jeglichen Kitsch, welchen man bei einem Shakespeare Stück erwarten könnte, wird bewusst verzichtet. Die Liebesgeschichte und der Tod des Paares wird gefühlvoll aber nicht überschwänglich inszeniert. Es scheint schon fast die logische Konsequenz der Teenager Romanze zu sein.
Doch auch der Text selbst wird verändert, so werden auf dem Maskenball 80ger Jahre Hits gesungen, die Feier durch einen Stromausfall gestört und Menschen mittels Schusswaffen ermordet. Zudem wird der Zuschauer Zeuge von der hohen Kunst Shakespeare in einem Shakespeare Stück zu zitieren. Auch plötzliche Wechsel des Dialekts sind in diesem Stück an der Tagesordnung.
Romeo und Julia ist nicht das, was man bei dem Namen erwarten könnte. Allerdings zeigt es, das ein Stück welches fast jeder kennt und was zum Symbol von Liebe glorifiziert wurde in einem anderen Gewand einen trotzdem überraschen, beeindrucken, schockieren und zum Nachdenken an regen kann.
Katharina Herrmann
Stadttheater Bielefeld
Vorführung 03.02.2017, 20 Uhr
Bilder: Stadttheater Bielefeld